Leute, ich muss Euch was beichten: Ich fliege. Weit. Nach Südostasien. 5 Wochen. Riesenklimasünde, ich weiß. Da hilft kein Rausreden und den CO2-Pfennig fünfmal umdrehen - meine Ökobilanz für mindestens das jetzige Jahr ist gelaufen. Aber manchmal muss man Herzentscheidungen über die Vernunft stellen, und ich träume seit Urzeiten davon, meine Familie im Ausland besser kennenzulernen. Sich im Durchschnitt alle 5 Jahre für zwei Wochen zu sehen ist einfach, gegeben wie gut uns gemeinsame Zeit tut, zu wenig. Und mit dem Kinostart von der Disney Realverfilmung von Die Schöne und das Biest (Musical, Disneyfilm, romantisch, der Trickfilm war schon unser Liebling, Emma Watson...) ist einfach DER perfekte Anlass gefunden, diese gemeinsame Zeit einzuläuten und sei es auch so etwas Banales wie der Gang ins Kino. Langes Hin und Her, Pro und Kontra und überhaupt: Fünf Wochen habe ich eingeplant, für ganz unspektakuläre Alltagserlebnisse wie zusammen Kochen, Backen, Spieleabende, Ukuleleträllereien und was uns noch so einfällt. Drei erwachsene Frauen steigen in eine Zeitkapsel, um ein wenig Kindheit nachzuholen - das ist meine/unsere insgeheime Hoffnung/Traumvorstellung.
Der Koffer ist gepackt, die Stunden bis zum Abflug bald schon an allen Fingern, Zehen und sonstigen Gliedmaßen abzählbar, die Vorfreude unbeschreiblich... doch was bringt man jemandem mit, den man zu wenig gut kennt, um zu wissen, was er braucht, aber gut genug, um zu wissen, worüber er sich mit 70%iger Wahrscheinlichkeit freuen würde?
Ich präsentiere: Eine 365 Jar in Form eines Sonnenglases.
Aufmerksam geworden bin ich durch altbekanntes Treibenlassen im World Wide Web. Es trug sich nämlich einmal zu, dass ein kreativer und geduldiger Mensch seiner Freundin 365 Notizen schrieb; Dinge, wofür er sie liebte, für jeden Tag des Jahres ein Grund. Das ganze packte er in ein hübsches Marmeladenglas und stellte seine Idee ins Internet, wo es zügig seine Runde als 365 Jar machte und zahlreiche Nachahmer inspirierte. Inhalt: check.
Mit dem Sonnenglas liebäugle ich schon seit geraumer Zeit, fand es aber zugegeben ein wenig kostspielig, um mir selbst diesen Luxus zu gönnen. 30 Euro für ein Ein-Liter-Glas mit Solarzellen im Deckel ist für eine Studentenbörse kein Spontankauf, aber das Produkt wird unter sozial-fairen Bedingungen in Südafrika aus recyceltem Glas und Metall gefertigt, fördert die Familien der Arbeiter durch mögliche Schulbesuche und stellt vor Ort eine brandsichere Alternative zu den üblichen Kerosinlampen dar. Der Output ist unter sommerlichen Verhältnissen top - eine Stunde direkte Sonneneinstrahlung bietet eine Stunde Licht. Da meine werten Menschen in einer Region leben, in der quasi rund um die Uhr die Sonne scheint, war das Sonnenglas naheliegend. Die nächste Gartenparty kommt bestimmt. Verpackung: check.
So, und was ist da jetzt drin?
Am Anfang stürzte ich mich gleich in die Ideenfindung für den geistreichen Inhalt. 365 Notizen mal zwei, da zwei zu Beschenkende. Das wären dann 730 Notizen insgesamt, wenn es sich nicht wiederholen darf/sollte... jede Notiz zudem in Mini-Briefumschlägen verpackt, ohja, das klingt nach ziemlich viel Arbeit. Letztendlich sind es jetzt Pi mal Daumen 110 Notizen je Person geworden, damit kommt man zwar gerademal ein Drittel des Jahres über die Runden, aber vielleicht fängt man dann einfach wieder von vorne an, wenn es einem gefällt?
Ich entschied mich für folgende Notiztypen:
- gemeinsame Erinnerungen
- Dinge über mich (Lieblingslieder, Hobbies)
- Dinge, die mich an die andere Person erinnern
- Lieblingsvideoclips für jegliche Gefühlslagen
- motivierende/inspirierende Zitate
- kommentierte alte Fotos
- Komplimente an die andere Person
Konkret: Aus Tonpapier schnitt ich karteikartengroße Kärtchen aus, die mit Füller in Schönschrift beschrieben wurden (hach, analoge Nostalgie). Zudem suchte ich ein paar Dutzend schöne Fotos geteilter Momente aus (als du Fahrradfahren lerntest, als ich in den See gefallen bin...) und ließ sie im Format 5x7,5 cm drucken. Die Kärtchen blieben so wie sie waren, die Fotos wollte ich für den Überraschungseffekt aber doch in Mini-Kuverts stecken. Also bestehenden Umschlag vorsichtig aufgetrennt, abgepaust, aus Papierresten nachgebastelt. Einmal alles farblich durchgemischt und jeweils ins passende Glas gesteckt. Entzückendst!
Ich bin gespannt, wie meine Lieben darauf reagieren, und vielleicht kommen bei meinem Ausflug soviele schöne Erinnerungen zusammen, dass für die nächste Gelegenheit die 365 Notizen spielend voll werden... jedenfalls bin ich schon überzeugt: Das Glas erfüllt alle meine Kriterien an ein perfektes Geschenk - persönlich, handgemacht, nachhaltig, schön, praktisch.
Ohne Sonnenglas wäre es auch schon gut genug, aber so hat es einen Tick mehr Raffinesse und ehrlich gesagt überlege ich tatsächlich, ob ich mir nicht auch so ein Gläschen zulegen möchte. Wo ich alle möglichen beglückenden Dinge sammle und hineingreife, wenn ich dabei bin, mich in zuvielen Gedanken zu verlieren. Quasi eine Gute-Laune-Notbatterie für die notwendigen Talfahrten, mit der Möglichkeit zur wahrhaften Erleuchtung.
Vorerst hole ich jedoch Anlauf für meine sprichwörtlich traumhafte Auszeit!
Bis die Tage,
Neary